Mandy Rupprecht

Blumenduft wird dein Leben bestimmen

Im Herbst dieses Jahres berichtete die Mitteldeutsche Zeitung über Folgendes: „Deutschlands größter Getränke-Hersteller Coca-Cola streicht laut Gewerkschaft NGG in Deutschland weiter Stellen. ,Betroffen sind mehr als 300 Beschäftigte aus Produktion und Verwaltung an verschiedenen Standorten‘, teilte die Gewerkschaft mit.“
Bereits in den vergangenen Jahren bot „Coca-Cola“ den Angestellten mehrmals sogenannte „Freiwilligenprogramme“, was bedeutete: wer gehen wollte, konnte gehen. Um den Abschied vom sicheren Einkommen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Geburtstagsbonus und extra Kindergeld zu erleichtern, lockte die Firma ihre Angestellten mit einer großzügigen Regelung. Viele, vor allem junge Leute, griffen zu. Unter ihnen war Ende 2013 auch Mandy Rupprecht, die bis dato in der Marketingabteilung der Firma am Standort Halle gearbeitet hatte. Die Arbeit hatte ihr Spaß gemacht, die Kollegen waren nett und deshalb fiel es ihr schwer „die soziale Hängematte“ zu verlassen.

Lange hatte Mandy auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Mit siebzehn Jahren gewann sie ihren ersten Schönheitswettbewerb. Sie wurde „Miss Sachsen-Anhalt“, nahm zwei Mal am Bundesentscheid teil und gewann im Jahr 1995 den Titel „Queen of Clubs“. Zum Weltfinale ging es nach Australien. Von den Preisgeldern und den Honoraren für die diversen Veranstaltungen konnte Mandy ihr Betriebswirtschaftsstudium finanzieren. Der Titel „Miss Merseburg“ bescherte ihr den Führerschein.
Zusätzlich arbeitete Mandy während des Studiums in den Geschäften ihrer Mutter aushilfsweise als Verkäuferin. Sie dekorierte Schaufenster und sammelte praktische kaufmännische Erfahrungen.
Als Radio SAW ihr ein Praktikum anbot, nahm sie dies an und lernte dort ihren Mann kennen. Zwei Kinder rundeten das Glück ab, alles schien perfekt.
Doch dann erkrankte Mandy kurz nach der Geburt der Tochter an einem gutartigen Hirntumor. Sie überstand die OP und die lange Zeit der Krankheit. Einige Einschränkungen blieben trotz der monatelangen Therapien zurück. „Wir reifen nun mal am meisten durch Leid“, sagt sie heute.
Die Krankheit habe sie zum Überlegen gebracht und sie zum bewussten Nachdenken gezwungen. „Ist es das? Ist es das wert?“, fragte sie sich nun öfter, auch in Bezug auf ihre Arbeit. Sie spürte, dass die Anstellung bei „Coca Cola“ nicht die Erfüllung war, nach der sie sich tief im Inneren sehnte.

Unsere Gabe ruht in uns und äußert sich oft in Hobbies oder Dingen, die wir schlichtweg gerne tun. Für viele Jahre hatte sich Mandy, neben Studium und Arbeit, mit Floristik und Dekoration beschäftigt. Dazu gehörte, dass sie die Hochzeiten ihrer Freundinnen floristisch gestaltete. Doch sich selbstständig zu machen, kam für Mandy lange Zeit nicht in Frage. Hatte sie doch bei ihren Eltern gesehen, was Selbstständigkeit auch bedeutet: nämlich Stress, wenig Freizeit und finanziellen Druck.
Und dann kam doch der Tag, an dem sie mit ihrer Freundin zusammen saß und diese fragte: „Was machst Du denn gerne?“ „Na, Du weißt schon“, antwortete Mandy. „was mit Blumen“. „Na dann mach doch einfach“, sagte die Freundin zu ihr.

Also fing Mandy an. Saß abends mit ihrem Mann auf der Couch und beide warfen sich mögliche Geschäftsnamen zu. Es war „Blütentau“, den Toni schließlich in einer bestimmten Schrift ausdruckte. Da sie kein Foto fand, dass ihr gefiel, fuhr Mandy los, sammelte Wiesenblumen am Wegrand, band einen Strauß daraus und fotografierte ihn vor der alten Stalltür. Ein paar Tage später war die Internetseite fertig.
„Es war von allem schon ein Grundstock da“, erinnert sich Mandy an diesem sonnigen, schon etwas kühlen Tag, als wir sie in ihrem Zuhause in Schkopau besuchen. Bewusst oder unbewusst hatte sie über die Jahre schon viele Gegenstände und Materialien gesammelt, die nun eine Verwendung in der Werkstatt finden.

Dann starb überraschend der Mann ihrer Freundin. „Trauerfloristik hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm“, erinnert sich Mandy. Ich hielt die Rede für die Feier, sie gestaltete die Trauergestecke, es ist ihr erster großer Auftrag in diesem Bereich.
Einen Monat später, bei der Silvesterfeier 2015, zieht Mandy eine Tarotkarte. „Blumenduft wird dein Leben bestimmen“, steht darauf.
Als dann ein weiterer Todesfall eintritt, weiß Mandy zunächst nicht, ob sie in der Lage sein wird, mit jemand Fremden zu sprechen, der gerade in Trauer ist. Mandy bewunderte die Mutter des verstorbenen Jungen für die Art, wie diese in der Situation agierte. Zu keiner Zeit fand Mandy das Gespräch unangenehm. Die Wünsche und Ideen der Mutter flossen in die Umsetzung ein. So entstand ein Herz aus Blumen, welches innen hohl war. Ein paar Zweige hielten die Mitte und symbolisierten die Hoffnung, dass das Herz vielleicht eines Tages wieder gefüllt sein möge. Nach diesem Auftrag folgten Weitere. „Seit diesem Tag bin ich da drin“, sagt sie.

In ihrer Arbeit verbindet Mandy Traditionen mit neuen Ideen und einem nachhaltigem Ansatz. Welche Blumen mochte der Verstorbene oder die Verstorbene? Welche Blumen wachsen gerade in der Natur und wie entsteht ein schönes Ganzes? Müssen es unbedingt Schleifen sein, die nach dem ersten Regen nicht mehr schön aussehen? Immer öfter stehen die Namen und Worte der Hinterbliebenen jetzt auf Blättern. Der verstorbene Weinbergbesitzer bekam ein Gesteck, bei dem Blumen in einen Weinstock eingearbeitet wurden.

Die Jahre der bezahlten Freistellung ihres (noch) Arbeitgebers „Coca Cola“ nutzte Mandy, um ihr Geschäftskonzept weiter zu entwickeln. Sie besuchte handwerkliche als auch kaufmännische Schulungen und nahm an einem Gründungsseminar teil. Am 15. Mai dieses Jahres ging Mandy den Schritt in die Selbstständigkeit. Sie wünscht sich, von ihrer Arbeit zu leben und ab und zu in den Urlaub fahren zu können.

Sie hat sich für eine Werkstatt und gegen einen Laden entschieden. Hier in den gemütlichen, weiß gekalkten Räumen auf dem Hof entstehen ihre natürlichen Blumengestecke und zauberhaften Sträuße. Hier lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf und setzt ihre Ideen für die florale Ausgestaltung von Hochzeiten, Taufen und anderen Festen um. Ob ein Blumenschmuck für das Taufbecken in der Marktkirche, oder das barocke Kleid aus Eukalypthus und Rosen für die Schaufensterdekoration einer Boutique während der Händelfestspiele – das Spektrum ist breit.
Doch wie fühlte es sich an, als klar war, dass sie sich selbstständig machen würde, frage ich Mandy. „Als ob ein Knoten geplatzt wäre“, sagt sie.
Es ist ihr bewusst, dass sie, wenn sie von ihrer Selbstständigkeit leben will, mehr an die Öffentlichkeit gehen muss. Ein Anfang ist gemacht: in den vergangenen Wochen hing Mandys Porträt inmitten vieler anderer selbstständiger Frauen im Ratshof und sie ließ sich für unser Lebenswege Projekt porträtieren.

Zuversicht strahlt Mandy aus. „Alles was passiert ist und alle Leute, denen ich begegnet bin … alles hatte eine Bewandtnis. Alles hat seinen Sinn.“ Sie ist froh, diesen Weg gegangen zu sein.

(Text: Berit Ichite, Fotos: Ricarda Braun)

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