Die Heimkehr

(Text und Fotos: Berit Ichite)

Das Jahr ist fast vorüber. Für mich, wie vielleicht für viele andere auch, war es ein intensives Jahr. Im innen und außen passierte viel und das mit einer großen Schnelligkeit. Der Flugzeugabsturz in den französischen Alpen, bei dem auch eine hallesche Künstlerin um ihr junges Leben kam, die Flüchtlingswelle in Europa, die vielen Toten im Mittelmeer und nun der bevorstehende Kriegseinsatz. Das Jahr neigt sich… Es abzurunden mit einem Erlebnis schien mir eine gute Idee.

Im Oktober lernte ich den Schäfer Martin Winz kennen. Winz ist einer der letzten Schäfer, der noch tagtäglich (von März bis zum Winteranfang) bei seiner Herde wacht. Tag für Tag, sieben Tage die Woche. Er erzählte mir von der „Heimkehr“, dem Sonntag, an dem er seine Schäfchen zurück in den Stall nach Krosigk führt. Die Schäfchen: 450 trächtige Schafe. Das wollte ich miterleben.

Am Sonntag, den 6. Dezember, ging es vor Sonnenaufgang los. Wir trafen uns am Stall in Krosigk und fuhren gemeinsam im Auto zu seiner Herde. Dort „zog“ Martin Winz ein Schaf aus der Herde, da es zu stark humpelte. Dieses wurde im Auto der Herde hinterhergefahren.

Die Sonne ging auf über dem Saaletal, als wir losliefen. Martin Winz mit den beiden Goldbackenhunden Simpel und Hannes vorn, ich am Ende der Herde. Wir liefen über Felder, über Landstraßen und durch Dörfer. Manche Bewohner schauten aus ihren Häusern und machten Fotos. Die Schafe interessierte das nicht, sie liefen vorbei an den Autos, den Vorgärten und guckten höchstens mal hier mal da, ob es etwas zu fressen gab. Auch die letzten Äpfel, die runtergefallen von den Bäumen entlang des Weges lagen, fanden nun noch erfreute Esser.

Denn: „Schafe fressen viel. Sie fressen bis ihr Pansen voll ist und irgendwann legen sie sich nieder und käuen wieder.“ Das mit dem Hinlegen war auf der Heimkehr nicht möglich, fressen durften sie. Nach der Überquerung einer Bundesstraße, machte ihr Hirte erst einmal eine Pause und ließ die Schafe fressen. Dabei erzählte er mir von Heimkehrtagen im tiefen Schnee, anstrengend für die Tiere und ihren Hirten.
An diesem Sonntag hatten wir Glück. Gesegnet mit kühlem, doch sonnigem Wetter, liefen wir vier Stunden bis zum Stall. Dort warteten bereits hunderte, weitere Schafe aus den Herden seiner Söhne auf uns. Mittlerweile bin ich richtig auf den Schafgeschmack gekommen. Jedes Schaf sieht anders aus, sie sind für mich gutmütige Tiere, sie haben einen hohen Nutzen und ich habe das Gefühl, sie hören auf’s Wort. (Zumindest auf das von Martin Winz.) Ich habe auch ein Schaf mit einem schwarzen Gesicht gesehen.

Als gläubiger Mensch dankte Martin Winz bei unserer Ankunft dem Herrn für die sichere Heimkehr. Er bat zudem, dass er auch im nächsten Jahr für seine Herde dienen darf. Martin Winz ist längst im Rentenalter, er ist 67 Jahre alt.

Ich danke auch: Dem Schöpfer und Martin Winz für dieses wunderbare Erlebnis in der Mutter Natur. Einfach laufen, den Wind im Gesicht und die Beine spüren und heimkehren. Ich fühle mich seitdem seltsam geerdet.

Ja, das Jahr hat sich geneigt. Alles ist gut.

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